Anlässlich der Jubilarfeier unseres Rodelvereins im Herbst 2019 haben wir uns mit Michl Mayr, Junior getroffen, der für sein 70-jähriges Vereinsjubiläum geehrt wurde und mit ihm über alte Rodelzeiten und Erinnerungen geplaudert.
Trifft man Mayr Michl im Absamer Haus für Senioren merkt man sehr schnell, dass hier einer im Seniorenheim wohnt, der eigentlich gar nicht hier sein will. Doch nach zwei Hüftoperationen und Stürzen sitzt der 85-Jährige vorübergehend im Rollstuhl und wird hier praktisch wieder gesundgepflegt. Unterstützung bekommt er von seiner Tochter Angelika, die sich so gut es geht um ihn kümmert. Und doch, trotz seiner aktuellen gesundheitlichen Situation fällt es nicht schwer, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Besonders bei seinen beiden Lieblingsvereinen, dem Rodelverein und der Schützengilde beginnen seine blauen Augen zu funkeln und er erzählt gerne Anekdoten aus seinem Rodelleben, das eigentlich für ihn ungerecht begann.
Es war am 9. Feber 1947, als der damals 12-jährige Mayr Michl auf der für ihn nahezu unbekannten 9 km langen Naturbahn Krepperhütte - Volders an einem Rodelrennen teilnahm und die schnellste Zeit unter den Jugendlichen fuhr. Im Protokollbuch des Rodelvereins ist aber der damalige Tiroler Jugendmeister Laimgruber Willi als Sieger aufgeführt. Als zweiter Feistmantl August und erst als dritter Mayr Michl. „Der Grund war ein einfacher“, erinnert sich Michl, „da ich noch kein Vereinsmitglied war und damit auch keine offizielle Starterlaubnis hatte, wurde ich zurückgestuft“. Die Erlaubnis, mitfahren zu dürfen hatte er schlicht von seinem Vater erhalten, der damals Obmann unseres Rodelvereins war.
Neben seiner Passion zum Rodeln hat er von seinem Vater auch die grundsätzliche Liebe zum Rodelsport mit in die Wiege gelegt bekommen. War er doch als kleiner Bub meistens dabei, als sich die Pioniere des Tiroler-, ja des österreichischen Rodelsports, Bertl und Toni Weißnicht, Josef Sturm, Hans Sponring und ein Jahr später auch Josef Prantner sen. erst in der Zimmerei-Werkstatt seines Vaters und dann später in der Werkstatt vom Prantner Josef in der Steiner Straße getroffen haben, um die Tietze-Rodel nachzubauen. Um es klar zu sagen: eine Rodel zu bauen, von der sie nur Fotos hatten. Heute wissen wir, dass am Ende der Arbeit dieser kongenialen Pioniere des Rodelsports die Weißnicht-Rodeln stand. Das Quintett war von den Vereinsmitgliedern in den Rodel-Ausschuss gewählt worden, um „… den Rodelbau zu unterstützen und zu überwachen ...“. Eine Arbeit, die ganz einfach strukturiert war, wie sich Michl Mayr erinnert: „Der Weißnicht Toni hat die Tietze-Rodel fotografiert, dann Zeichnungen erstellt und der Rest der Truppe hat unter Anleitung vom Prantner Josef sen. versucht, sie nachzubauen. Die „Köpfe“ dabei waren ganz sicher die Weißnicht-Brüder, die immer wieder experimentiert und einmal gefundene Ergebnisse hunderte Mal wieder verworfen und verbessert haben“. Unterstützt wurden sie von einem ostdeutschen Kriegsflüchtling. Der war von Beruf Wagenmeister und hatte bei einem Bruder von Michl‘s Vater Unterschlupf gefunden. Noch heute ist im Absamer Gemeindemuseum eine der ersten Weißnicht-Rodeln dieser kongenialen Truppe zu sehen. Dass die Weißnicht-Rodel damals als der Mercedes unter den Rodeln galt, ist auch an der Tatsache abzulesen, dass sie „… einmal zwischen Training und Rennen im Halltal im Bauernhaus am Hackl vor fremden Zugriffen versteckt werden musste…“, wie Mayr Michl augenzwinkernd erzählt.
Auch tragisch die andere Geschichte, an die sich Mayr Michl noch aus den Kriegsjahren erinnert: „Unser Rodelverein hatte in den letzten Kriegstagen des II. Weltkriegs in der Steiermark 15 Krausner Rodeln in Auftrag gegeben, die aber leider vor Auslieferung bei einem Bombenangriff in der Steiermark zerstört worden waren. Um dann weitere Rodeln für unseren Rodelverein bestellen zu können, mussten wir Eisenbezugsscheine in die Steiermark schicken. Die Krausner Rodeln galten damals als nahezu unschlagbar. Unser Sturm Sepp zum Beispiel, war auf einer Krausner-Rodel sehr erfolgreich unterwegs“. Zum Sturm Sepp hatte Michl eine enge freundschaftliche Beziehung und ist mit ihm sogar einmal Doppel gefahren.
Apropos „einmal“: Michl Mayer hat immer Naturbahnen bevorzugt und ist in seinem ganzen Leben nur ein einziges Mal auf einer Kunsteisbahn gefahren und das ausgerechnet am Königssee. „Das war total verrückt. Die Bahn war zu diesem Zeitpunkt total verbaut. Man hat oft die Bodenhaftung verloren. Bis dann bei den Rodel-Weltmeisterschaften am Königssee 1969, der polnische Meister Stanislaw Paczka tödlich verunglückte und der spätere Sieger, Jos Feistmantl seine WM-Goldmedaille der Witwe übergab. Ich war damals froh, nach meinem Höllenritt über die Bahn unten heil angekommen zu sein“.
Zum Schluss unseres Gesprächs schauen wir uns beide noch einmal das Gruppenfoto der Jubilars-Veranstaltung an, auf dem auch Margit Eliskases-Bacher zu sehen ist, die wie Michl ihr 70-jähriges Vereinsjubiläum feierte. „Ja, ja, die Bacher. Mit ihr waren wir nach einer Meisterschaft bei schlechtem Wetter auf Heiligwasser, und obwohl sie nur ein Jäckchen an hatte, ist sie trotzdem mit mir nach Igls gerodelt. Sie hat so gefroren, dass sie unten im Gasthaus auf einem Kachelofen gesessen ist“.